Januar 1, 2025

Physiotherapeut, YouTuber, Honorardozent und Inhaber von MedSuche.com & Active Physio

Januar 1, 2025

Das Wichtigste in Kürze:

  • Aktualisierte Leitlinien fokussieren zu wenig auf konservative Maßnahmen: Obwohl die neuen Osteoporose-Leitlinien anabole Medikamente stärker hervorheben, bleiben wichtige Schritte wie gezieltes Muskelaufbautraining und eine alltagstaugliche Ernährungsoptimierung oft unberücksichtigt.
  • Sturzprophylaxe alleine reicht nicht aus: Stolperfallen zu beseitigen und leichtes Gleichgewichtstraining sind hilfreich, doch rasant mehr Muskelsubstanz und Reaktionsvermögen (z. B. durch 2–3 kraftbetonte Trainingseinheiten pro Woche) senken das Frakturrisiko erwiesenermaßen drastischer.
  • Ganzheitlicher Ansatz für langfristigen Erfolg: Erst wenn Training, Nährstoffversorgung und Lebensstilfaktoren optimiert sind, machen Medikamente oder Hormonersatztherapien wirklich Sinn – das verringert Komplikationen und steigert nachhaltig die Lebensqualität.

Aktualisierte Osteoporose Leitlinien

Die Leitlinien zur Behandlung von Osteoporose sind kürzlich überarbeitet worden. Mit vielen kleinen, echten Verbesserungen und, sagen wir einmal, kleinen Hinweisen, ohne es deutlich auszusprechen, was noch optimiert werden könnte. Siehe die Dosierungsbereiche für Vitamin D, Kalzium und Vitamin K in den neuen Leitlinien. Da kann man schon etwas mehr herauslesen, welche Optionen vielleicht neben den Leitlinien existieren, jedoch noch nicht den Weg in dieses Papier gefunden haben.

Das ist an sich auch nicht verkehrt. Diese Leitlinien basieren auf Studien. Das heißt, wir können uns schon sehr gut auf sie verlassen und begehen keine Fehler, indem wir Mittel anwenden, die sich vielleicht bereits als wirkungslos oder gar schädlich herausgestellt haben. Das sollten wir immer mitbedenken.

Andererseits finden sich einige Dinge noch nicht so recht in diesem Papier wieder, die wir in der Praxis sehen, jedoch noch nicht oder noch nicht ausreichend untersucht worden sind. Hier sind dann wieder erfahrene Behandler wichtig, die wissen, in welchen Ecken sich die Wollmäuse ansammeln.

Daher:
Immer Spezialisten aufsuchen, um die bestmögliche, auf dich abgestimmte Behandlung zu erhalten.

Behandler, welcher Disziplin auch immer, deren Brot und Butter dieses Thema eben nicht ist, tun sich schwerer, und das Risiko, dass im Falle deiner Therapie Optionen auf dem Tisch liegenbleiben, ist einfach größer.


Schwächen der neuen Leitlinien

Ich möchte in diesem Text allerdings in einen anderen Bereich beleuchten. Auch wenn die Veränderungen der Osteoporose-Leitlinien in Bezug auf die Medikamente wirklich zu begrüßen sind, weil sie die anabolen Medikamente mehr in den Vordergrund rücken und die zur Hemmung des Knochenabbaus eher zurückstellen, kommen einige wirklich gute Ansätze noch nicht so recht bei den Ärzten an.

Ich meine damit, erst die konservativen Behandlungsmaßnahmen zu optimieren und erst dann zu den Medikamenten zu greifen. Aber die Medikamente sollen doch das Frakturrisiko senken!
Aber tun sie das wirklich? Oder ist es nicht nur eine Krücke, und es wäre viel sinnvoller, an anderer Stelle anzusetzen?

„Ja, aber das tun wir doch! Wir schreiben den Patienten doch eine Sturzprophylaxe auf und geben ihnen ein Merkblatt mit, auf dem sie all die kleinen Tricks finden, um Stolperfallen in ihrem Haushalt zu eliminieren!“

Ja, stimmt schon. Aber… es sind doch noch ganz andere Dinge, an denen wir arbeiten sollten, oder?

Klar, es ist hilfreich, wenn der auf den Fliesen rutschende Teppich endlich einmal eine rutschfeste Gummiunterlage erhält oder quer über den Weg führende Kabel der Stehlampe anders verlegt werden, damit aus immer wiederkehrenden Stolperern nicht ein Sturz wird. Klar, selbstverständlich. Auch sind Balance-Übungen toll und bringen schon ein wenig, aber im Notfall brauchen wir viel mehr als das.

Die typischen ersten drei Maßnahmen nach dem Arztbesuch (ja, ich weiß, es gibt auch sehr gute von euch 😉 ) — ich sage einmal: knochenstärkende Medikamente, Nahrungsergänzungen, Sturzprophylaxe und Balanceübungen — sind, tut mir leid, zu wenig. Sie verhindern ja kaum Frakturen.
Wie auch?

Ja, die Knochen sind vielleicht stärker und halten bei einem Sturz besser stand, das stimmt schon, aber ist das der Punkt, an dem wir zuerst ansetzen sollten? Verhindert das Medikament dadurch Frakturen?

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Ist Sturzprophylaxe gut?

Auch alle Stolperfallen mit den Kindern oder durch eine professionelle Beratung aus dem Weg zu räumen und die Räume dadurch sicherer zu machen, ist sehr oft nicht der Weisheit letzter Schluss. Was man aber schön erreichen kann, ist, dass man sich wie in einer Bahnhofshalle fühlt, wenn man plötzlich auf den nackten Fliesen oder dem Parkett gehen soll und jede Stolperfalle wie in einem Spital aus dem Weg geräumt ist. So richtig gemütlich!

Und auch der Zehengang, die Wadenpumpe, das Stehen auf einem Bein werden das Ganze auch nicht wahnsinnig herausreißen. Denn die eigentliche Ursache, dein unsicherer Gang, wird dadurch  mitnichten ausreichend behandelt. Das höre ich immer wieder von meinen neuen Patienten:
„Da bin ich umgefallen wie eine Bahnschranke.“ Aber was bedeutet das eigentlich?

Es bedeutet, sie haben es nach einem Stolpern nicht mehr geschafft, einen Fuß schnell genug für einen Schutzschritt nach vorne zu bekommen.

Wenn wir jetzt eine gewisse motorische Verlangsamung durch beispielsweise neurologische Zusatzerkrankungen außer Acht lassen, dann ist das zum großen Teil ein Mangel an reaktionsschneller Muskulatur, an kräftiger Muskulatur. Das hier ist ein Querschnitt eines Oberschenkels eines typischen Senioren. Hier ist der Knochen, …hier siehst du noch Teile der Muskulatur, und rundherum ein großzügiger Speckgürtel. Wie soll mit einer so stark reduzierten Muskulatur ein schweres Bein explosiv nach vorne gestellt werden, um einen Sturz abzufangen?

Hier haben wir einen großen Hebel zum Ansetzen. Ohne Medikamente, ohne Nebenwirkungen. Nur positive Effekte. Du verjüngst deinen Körper auf zellulärer Ebene, es wirkt sich positiv auf dein Herz-Kreislauf-System aus, du kannst deine Altersdiabetes rückgängig machen und verlierst vielleicht sogar das ein oder andere Pfund so fern nötig.


Wirkungsvolle Alternativen zur Sturzprophylaxe

Denn ein Oberschenkel kann auch so aussehen.
„Ja, aber das wird doch ein junger Mann sein!“
Wirklich? 74 Jahre. Nur eben sportlich. Vor allem mit einem gezielten Training und nicht einmal die Woche im Turnverein.

Es tut mir leid, das reicht nicht. Auch nicht das 10er Rezept mit einmal wöchentlich Physiotherapie. Das ist auch zu wenig. Es heißt ab jetzt: „Turne bis zur Urne.“ Und das mit Einsatz. 2-3 Mal wöchentlich ein richtiges Krafttraining, leichtes Impact-Training, Balanceübungen als Ergänzung, plus ein paar Ausdauereinheiten. Selbst wenn du es bisher in deinem Leben ohne Sport ausgehalten hast, wirst du dich nach 6 Wochen wohler denn je in deinem Körper fühlen.

Dann hast du auch schon einiges gegen dein Knochenbruchrisiko unternommen. Deine Muskulatur ist schon etwas mehr geworden, deine Muskulatur reagiert bereits schneller, und an deinen Knochen wurde bereits ordentlich gezogen, sodass dein Körper das Signal erhalten hat: „Oh, da sollte ich noch etwas dazubauen.“ Denk daran: Dein Körper passt sich immer an — im Guten wie im Schlechten. Du bist also rundum fitter. Du brauchst dann nur weitermachen.

So arbeiten wir an deinem Frakturrisiko. Denn ein Medikament und ein paar im Weg liegende Teppiche wegzuräumen, ändern nichts an der Ursache deiner erhöhten Sturzgefahr: an deinen Muskeln und einem flink reagierenden Nervensystem.

Grundsätzlich gilt — Ausnahmen bestätigen die Regel —:
Erste Linie in der Behandlung: Training, Ernährung bzw. Nährstoffversorgung sicherstellen, weitere Lebensstilfaktoren optimieren.

Dann kommt der Griff in die Trickkiste mit ggf. einer Hormonersatztherapie und weiteren auf den Knochenstoffwechsel abzielenden Medikamenten.


Zu guter Letzt:

Nur nicht aufgeben! Ich hatte hier auch schon Patientinnen, die mit einer Zuweisung zur Physiotherapie und Ernährungsberatung sowie Vorschlägen für passende Fitnessstudios oder Sportphysiopraxen aus dem Sprechzimmer gekommen sind. Ganz nebenbei: Solche Ärzte solltest du dir ganz, ganz warmhalten.

Ohne Medikamente zu starken Knochen

| Training verändert Dich auf zellulärer Ebene.

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Über den Autor Christian Schroth

Mit über zwei Jahrzehnten Berufserfahrung in der Physiotherapie konzentriert sich Christian auf die Behandlung von Arthrose, Osteoporose, Hüft-TEP und Knie-TEP, sowie Schlaganfall (unter Verwendung der Methoden Bobath, Forced Use und PNF) und Golf-Physiotherapie.

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